Zwischen Kick und Kontrollverlust
Lesezeit: 4 Min.
Publikation: 04. November 2025, Jonathan Schönholzer
Der schmale Grat zwischen Freiheit und Abhängigkeit
Am Anfang steht fast immer das Spiel aus Spass. Ein paar Runden am Automaten, eine Sportwette mit Freunden oder ein Online-Pokerabend, scheinbar harmlos. Der Reiz liegt im Gefühl von Kontrolle: Man glaubt, den Zufall austricksen zu können, eine Strategie zu haben, den nächsten Gewinn „verdient“ zu haben.
Doch Glücksspiel folgt keiner Logik. Es ist ein System aus Wahrscheinlichkeiten, das langfristig immer zugunsten des Anbieters funktioniert. Wenn Verluste auftreten, beginnen manche Spieler zu kompensieren, sie erhöhen ihre Einsätze, um „wieder ins Plus zu kommen“. Das ist der Moment, in dem das Spiel kippen kann.
Selbstkontrolle bedeutet, bewusst zu entscheiden, wann Schluss ist. Spielsucht beginnt, wenn diese Entscheidung nicht mehr frei getroffen wird.
Psychologie des Kontrollverlusts
Die Mechanismen hinter Spielsucht sind tief in der Psychologie verankert. Besonders gefährlich ist die sogenannte „Kontrollillusion“, der Glaube, man könne das Ergebnis beeinflussen, obwohl alles zufällig geschieht. Jeder kleine Gewinn verstärkt diesen Glauben und aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn.
Dopamin, das „Glückshormon“, wird ausgeschüttet, ähnlich wie bei Drogenkonsum. Das führt dazu, dass der Körper immer wieder nach dem gleichen Kick verlangt. Mit der Zeit tritt eine Toleranzentwicklung ein: Man braucht höhere Einsätze oder längere Spielsitzungen, um das gleiche Gefühl zu erreichen.
Dieser schleichende Prozess ist tückisch, er verläuft still, oft über Monate oder Jahre, und wird von Betroffenen meist erst spät erkannt.
Gesellschaftlicher Druck und digitale Versuchung
Die Digitalisierung hat die Grenze zusätzlich verwischt. Früher musste man in ein Casino gehen, heute genügt ein Smartphone. Online-Casinos und Wettplattformen sind rund um die Uhr verfügbar, mit bunten Animationen, Belohnungen und personalisierten Angeboten.
Gleichzeitig sind in der Werbung oft positive Emotionen mit Glücksspiel verknüpft: Erfolg, Selbstvertrauen, Freiheit. Diese Botschaften treffen auf eine Gesellschaft, in der Leistung, Risiko und Individualität hoch im Kurs stehen. Kein Wunder also, dass viele den Reiz verspüren, „das Glück selbst in die Hand zu nehmen“.
Doch gerade diese permanente Verfügbarkeit und emotionale Ansprache erschweren es, Selbstkontrolle zu bewahren. Das Spiel hört nie auf, es ist immer nur einen Klick entfernt.
Warnsignale erkennen und handeln
Die Grenze zur Spielsucht verläuft individuell, aber typische Warnzeichen sind:
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Das Spiel dominiert Gedanken und Tagesablauf.
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Verluste werden verheimlicht oder rationalisiert.
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Schulden, Lügen oder Konflikte nehmen zu.
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Emotionale Schwankungen hängen vom Spielerfolg ab.
Wer solche Signale bei sich oder anderen bemerkt, sollte nicht warten. In der Schweiz bieten Organisationen wie Sucht Schweiz, Suchtprävention Schweiz oder kantonale Fachstellen vertrauliche Beratung an, kostenlos und anonym.
Zwischen Freiheit und Verantwortung
Glücksspiel ist kein Feind, aber es verlangt Achtsamkeit. Selbstkontrolle bedeutet nicht, nie zu spielen, sondern bewusst zu spielen: mit klaren Limits, Pausen und Transparenz.
Die Grenze zur Sucht verläuft dort, wo das Spiel nicht mehr der Unterhaltung dient, sondern zur Flucht vor Problemen wird. Wer diese Grenze kennt, kann das Spiel geniessen, ohne sich darin zu verlieren.
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